Aufstieg zum Regionalliga-Schiedsrichter: Tobias Esch im Interview mit Richard Lemke

Lemke: Tobias, vor knapp 2 Jahren haben wir schon einmal ein Gespräch mit dir als Aushängeschild des TuS 05 Oberpleis geführt, das mit dem Satz „Wir werden sicherlich noch von dir hören“ endete. Jetzt bist du in die Regionalliga aufgestiegen. Was ist in den beiden durch Corona beeinflussten Jahren passiert?

Esch: Ich hatte das Glück, in der Regionalliga als Schiedsrichter-Assistent eingesetzt zu werden und die Spiele der Regionalliga West fanden trotz Corona durchgängig statt. Dadurch bin ich am Ball geblieben und wurde allein als Schiedsrichter-Assistent 12-mal bewertet. Als die Corona-Einschränkungen gelockert wurden, habe ich wieder Spiele auf Mittelrheinebene und in der B-Jugend Bundesliga geleitet und bin dabei 5 bis 10-mal beurteilt worden. Am Ende stand der Aufstieg zum Regionalliga-Schiedsrichter.

Lemke: Kannst du ein paar Highlights nennen?

Esch: Ein herausragendes Erlebnis war sicher ein Einsatz als Schiedsrichter-Assistent bei einem freitäglichen Flutlichtspiel in Essen an der Hafenstraße vor über 10 000 Zuschauern. Auch die von mir geleiteten Bundesliga-Relegationsspiele von A- und B-Jugenden vor teilweise mehr als 1500 Zuschauern verdienen in diesem Zusammenhang Erwähnung.

Lemke: Wird das „Schiedsen“ in höheren Klassen schwieriger, weil mehr Zuschauer den Schiedsrichter zu beeinflussen versuchen?

Esch: Die Zuschauer beeinflussen mich weniger; bei höherem Lärmpegel dringen sogar weniger persönliche Anfeindungen bis zu einem durch. Man hat aber mehr Verantwortung, weil es um mehr geht und die Medien sind dabei. Überall sind Kameras aufgestellt, über die man kontrolliert werden kann oder mit deren Hilfe man sich im Nachhinein selbst kontrollieren kann.

Lemke: Höhere Klassen heißt längere Wege zum Spiel. Wie viel Freizeit geht da verloren und wie viel musst du trainieren?

Esch: Zu Regionalligaspielen muss der Schiedsrichter 1,5 Stunden vor dem Spiel am Spielort sein. Bei Entfernungen bis zu 260 Kilometern und Anstoßzeiten um 14.00 Uhr bedeutet das für mich, um 9.00 Uhr losfahren um sicher pünktlich zu sein und vor 21.00 Uhr bin ich auch nicht zurück. Damit ist mein Freizeitbereich schon deutlich eingeschränkt.

Ich halte mich fit durch 2 bis 3-maliges Training bei der 2.Mannschaft des TuS 05 Oberpleis. Zudem laufe ich einige Einheiten in Eigenregie und bin natürlich durch mein Sportstudium viel in Bewegung.

Lemke: Wie sieht die Betreuung durch Heimvereine aus?

Esch: Die Betreuung durch Heimvereine fällt sehr unterschiedlich aus. In den höheren Klassen gibt es immer einen Schiedsrichter-Betreuer und in der Schiedsrichterkabine steht standardmäßig Wasser, häufig Obst und Kuchen. Nach dem Spiel gibt es ein Essen – dabei reicht die Spannweite von Currywurst/Fritten bis zur Teilnahme an einem sehr ordentlichen Büfett.

Lemke: Bist du in der Regionalliga „verkabelt“ und pfeifst du in festen Teams/Gespannen?

Esch: Ja, wir sind in der Regionalliga immer per Headset verbunden und ich pfeife in einem festen Team. Zudem werde ich mitunter als Schiedsrichter-Assistent eingesetzt, um das Gefühl für die Seitenlinie nicht zu verlieren, falls es zu Einsätzen als Schiedsrichter-Assistent in der 3.Liga kommen sollte.

Lemke: Noch 2 Fragen an den Fachmann: Warum läuft der Videobeweis bei uns nicht so gut wie beispielsweise in England?

Esch: Die Bundeliga-Schiedsrichter beurteilen die Video-Assistenz durchaus positiv. Probleme gibt es, wenn beispielsweise 2 Kameraeinstellungen kein Foul erkennen lassen und deshalb wegen des Zeitdrucks eine dritte Einstellung nicht mehr angeschaut wird, die das Foulspiel vielleicht gezeigt hätte.

Die Probleme mit dem Video-Assistenten bei der EM der Frauen sind wohl den wechselnden Zusammenstellungen der Video-Teams geschuldet, die zum Teil untereinander Probleme mit der Sprache hatten und in deren Ländern die Fußballregeln mitunter leicht unterschiedlich interpretiert werden.

Lemke: Bei Foulspiel im Strafraum gibt es häufig keinen Strafstoß, obwohl es für das gleiche Vergehen im Mittelfeld einen Freistoß gegeben hätte. Reporter stützen das mit den Worten: „Für einen Strafstoß ist das zu wenig“. Gewichtet ihr Foulspiel im Strafraum anders als im Mittelfeld?

Esch: Viel hängt vom Fingerspitzengefühl des Schiedsrichters ab. Mitunter wird ein Foulspiel in der Spielfeldmitte geahndet, um die Grenzen des Akzeptierens zu klären. Für ein ähnliches Foul im Strafraum würde man keinen Strafstoß geben. Grundsätzlich gibt es aber keine eigenen Regeln für den Strafraum.

Lemke: Wie häufig kannst du noch selbst für den TuS 05 Oberpleis Fußball spielen?

Esch: In der letzten Saison konnte ich nur zweimal für den TuS als Spieler auflaufen. Die Spiele der Mittelrheinliga liegen ja parallel zu den Kreisligen. Zudem besteht im Spiel immer eine Verletzungsgefahr und eine Verletzung kann ich weder für mein Studium noch für meine Schiedsrichter-Karriere gebrauchen. Deshalb liegt mein Fokus momentan auf dem „Schiedsen“.

Lemke: Danke für das aufschlussreiche Gespräch. Wir werden sicher weiter von dir hören!

About the Author

By NilsM / Editor on Aug 06, 2022


Schrift anpassen



Farbauswahl