Der sechste und damit der große Finaltag auf ihrer Fahrt nach Berlin begann für die Oberpleiser RadsportlerInnen mit einer kleinen Überraschung. Während man sich noch über das üppige Frühstücksbuffet in der Plauer Schloßschänke hermachte und den gestrigen Ritt durch den wilden Osten Revue passieren ließ, stieß ein weiterer Nachzügler aus dem Siebengebirge zur Gruppe. Die Schrippe blieb beinahe im Halse stecken, als man hörte, dass jener inzwischen leicht übernächtigte und marginal unterkühlte Zweirad-Hasardeur einen Großteil der Strecke aus der Heimat bis nach Plaue an der Havel (rund 350 km!) ohne nennenswerte Pause an einem Stück geradelt war – die meiste Zeit im Dauerregen.
Von so viel Sportsgeist inspiriert, schwang man sich umgehend zur letzten Etappe auf die Sättel und machte sich – nunmehr zu acht – auf den Weg Richtung Bundeshauptstadt. Als erstes wollte dabei die Stadt Brandenburg durchquert werden, ehe man endlich auf den erstklassigen Radweg stieß, der sich ab hinter Gollwitz gemütlich entlang der Havel durch die weitgehend unberührte Natur schlängelt. Kurzzeitig ausgebremst wurde man lediglich durch eine havelländische Höckerschwan-Gang, die sich offenbar außer Stande sah, die Fahrspur zu räumen und aggresiv reagierte, als das TuS-Peloton die Straßenblockade passieren wollte. Nachdem diese leicht tumultöse Gemengelage doch noch aufgelöst werden konnte, ging es über die Ortschaften Deetz und Schmergow, zu deren touristischen Highlights zwei verlassene Storchennester zählen, weiter bis zur Havelfähre „Charlotte“, mit der man nach Ketzin übersetzte. Leider hatte es inzwischen angefangen, heftig zu regnen, sodass man – so sieht die unerbittliche Konsequenz dieses meteorologischen Phänomens nun mal aus – klitschnass wurde. Der Wetterumschwung kurz vor dem Ziel war zwar ärgerlich; da man in den vergangenen Tagen durchaus viel Glück mit der Witterung gehabt hatte, konnte man den etwas nässlichen Endspurt letztlich aber doch gut verschmerzen.
Von Ketzin aus fuhr man dann weiter über Neu Falkenrehde und Buchow-Karpzow bis nach Priort, wo sich eine bekannte Anlaufstelle der überregionalen Radsport- und Kuchenpausen-Szene befindet, die natürlich auch auf der Pleeser Reiseroute nicht fehlen durfte. Da das Priorter Backstübchen seine Stammkundschaft persönlich begrüßte, wurde sofort klar, dass man sich längst im angestammten Habitat unseres Berliner Mitstreiters befand, der den Priorter Konditorentempel gerne und regelmäßig in seine Ausfahrten einbaut, und der die Gruppe auch sonst ortskundig durch die brandenburgischen Havelniederungen lotste.
Spätestens jetzt war der Schlussakkord der Radtour eingeläutet, die Berliner Großstadtluft war beinahe schon mit Händen zu greifen. Über die Gemeinde Elstal, wo sich die Reste des Olympischen Dorfes von 1936 befinden, gelangte man an die B5, die gleichsam die kilometerlange Anfahrt auf Berlin bildet. Nach 75 Tageskilometern war in Staaken die westliche Stadtgrenze Berlins endlich erreicht. Dem Straßenverlauf der großen West-Ost-Achse immer geradaus folgend (Heerstraße, Kaiserdamm, Bismarckstraße, Straße des 17. Juni), kämpfte man sich durch den Berliner Straßenverkehr, wobei man die Bezirke Spandau, Charlottenburg-Wilmersdorf und Mitte durchquerte.
Kurz vor 15 Uhr, die Siegessäule am Großen Stern war gerade umrundet, wurde die Hinterachse der Quadriga auf dem verregneten Brandenburger Tor schließlich sichtbar. Der Berliner Senat hatte sich für die Ankunft der Oberpleiser Raddelegation etwas ganz Besonderes überlegt und auf einer eigens für die Zieleinfahrt angelegten Fanmeile rund 24.000 Quadratmeter Kunstrasen ausgebreitet. Da der verantwortungsvolle Umgang mit Geld bekanntlich zu den großen Vorzügen der Berliner Politik gehört, ist eine sinnvolle Anschlussverwendung des grünen Teppichs im Rahmen der anstehenden Fußball-EM angedacht. Was folgte, war die triumphale Fahrt durch das Brandenburger Tor auf den Pariser Platz unter dem nicht enden wollenden Jubel der zahlreichen, extra angereisten Familienangehörigen sowie der obligatorischen Touristenscharen aus aller Welt. Danach floss der Schampus in Strömen, Ziel- und Beweisfotos wurden verschickt und die leidlich lästige Sportpresse musste mit Interviews gefüttert werden.
Fazit:
Die Pleeser RadsportlerInnen können wieder auf eine rundum gelungene Tour zurückblicken, auf der sie insgesamt fast 700 Kilometer und über 4.600 Höhenmeter in sechs Tagen absolviert haben. Wichtiger noch als die sportliche Leistung, die auf der durchaus herausfordernden Etappenfahrt durch die deutschen Mittelgebirge erbracht werden musste, ist aber, dass auch dieses Mal wieder der Spaß im Vordergrund stand, und dass die Gruppe eine interessante, abwechslungsreiche und harmonische Woche erlebte, bei der auch das Rahmen- bzw. Abendprogramm angemessen berücksichtigt wurde. Passend dazu nutzten einige die Gelegenheit, um an den Folgetagen gemeinsam mit mehreren Nachgereisten aus der (TuS-)Familie die deutsche Hauptstadt – zu Fuß und mit dem Rad – noch etwas näher zu erkunden. Berlin ist schließlich immer eine Reise wert! Gleiches gilt übrigens für Paris, wo man bekanntlich ja auch mal ganz gerne über die ein oder andere Prachtstraße radelt…