Wenn man morgens um kurz nach acht knöcheltief im wohl temperierten und cremigen Rührei steht, wenn man danach in die trüben Augen des verwirrten Frühstücksdirektors eines kleinen Löwener Hotels blickt und ihm geflissentlich zu erklären versucht, ‚How the hell this happen‘ konnte, dann sind das insgesamt eher suboptimale Startvoraussetzungen für einen wunderbaren Tag auf dem Rennrad in Zentralflandern. Doch zum Glück hätten die übrigen Bedingungen auf der dritten Etappe der TuS-Fahrradtour nach Paris, die von Löwen bis Gent führte, kaum besser sein können, sodass der irritierende, morgendliche Fehlgriff schnell verkraftet war: Es herrschten nicht nur sonnig-warme Temperaturen bei leichtem Rückenwind, sondern es warteten auf der Strecke dazu auch tadellose Fahrradwege entlang der flämischen Kanäle, ohne jeden erwähnenswerten Höhenmeter, dafür aber mit vielen gemütlichen Städtchen, die zur Einkehr einluden. Fahrerherz, was willst Du mehr? Okay, Rührei zum Frühstück wäre schon wünschenswert gewesen…
Dem Dilje-Löwen-Kanal folgend ging es für das Pleeser Peloton nach jenem denkwürdigen „ontbijt“ zunächst in nordwestlicher Richtung, wobei der Kanibale vom Stenzelberg die Führungsarbeit leistete und ein solch hartes Tempo anschlug, dass nach rund 30 Kilometern der erste Zwischenstopp in Mechelen eingelegt werden konnte. Man nennt die Einwohner Mechelens auch „Maneblussers“ (Mondlöscher), was auf eine Begebenheit im 17. Jahrhundert zurückgeführt wird: Ein Betrunkener war frühmorgendlich einer optischen Täuschung auf den Leim gegangen und hatte den stätischen Feueralarm ausgelöst, da er den Turm der Kathedrale seiner Stadt in Brand wähnte. Der Alkoholisierte irrte aber glücklicherweise, handelte sich sich doch nur um eine besondere meteorologische Gemengelage aus Nebel und Mondschein, die den Kirchturm in ein rotes Licht hüllte, weshalb alle hektisch organisierten Löschaktivitäten sinnlos blieben.
Beim Kaffee am Marktplatz, im Schatten eben jener zu keinem Zeitpunkt in Flammen stehenden Sint Rombouts-Kathedrale, räsonierten die Fahrer älteren Semesters anschließend über die glorreiche Vergangenheit des KV Mechelen, der Ende der 1980er Jahre Fußballgeschichte geschrieben hatte und als absoluter Underdog u.a. den Europapokal gewinnen konnte. Unvergessen, wie die goldene Generation des „Koninklijke Voetbalclub Mechelen“ um Michel Preud’homme und Lei Clijsters im Finale 1988 das hoch favorisierte Starensemble von Ajax Amsterdam besiegte, nachdem der zwar am rechten Bein bandagierte und doch so pfeilschnelle Schlaks Piet den Boer (Peter der Bauer) den Ball nach einer präzisen Flanke von der linke Seite wuchtig in die Maschen geköpft hatte; der konsternierte Ajax-Schlussmann Stanley Menzo war chancenlos, wobei die Hereingabe, man verrät kein Geheimnis, von dem wieselflinken Eli Ohana kam, der zuvor den noch unerfahrenen Frank Verlaat wie auf einem Bierdeckel ausgetanzt hatte. Ajax, das erst wenige Monate zuvor seine Trainerlichtgestalt Johann Cruyff nach Barcelona hatte ziehen lassen müssen, konnte diesen Treffer nicht mehr egalisieren, was auch damit zusammenhing – wir erinnern uns, als wäre es gestern gewesen –, dass der deutsche Schiedsrichter Dieter Pauly (Rheidt) den Amsterdamer Danny Blind bereits in der 16. Minute wegen einer Notbremse des Feldes verwiesen hatte.
Wohl etwas verträumt wegen all dieser Histörchen und Fußball-Nostalgie verzettelten sich die Oberpleise FahrerInnen in der Folge leider etwas, und es gelang nur mit Mühe und dank moderner GPS-Technik, den korrekten Weg aus dem historischen Zentrum der Stadt heraus zu finden. Nach ein paar freudlosen Zusatzkilometern befand man sich dann aber endlich wieder auf dem ursprünglich anvisierten, nächsten Streckenabschnitt, der mittig zwischen Antwerpen und Brüssel verlief, und auf dem man die Metropolen Hombeck, Kapelle-op-den-Bos, Londerzeel, Buggenhout und Dendermonde passierte. Auch wenn der dortige große Wochenmarkt mit seinen vielen Fressbuden leider nicht mehr auf die Oberpleiser Radsportler gewartet hatte und man daher betrübt von einem geschlossenen Marktstand zum nächsten rollte, konnte am Ende doch noch etwas Nahrhaftes gefunden und in der brütenden Mittagshitze verzehrt werden.
Grazil und mit maximaler Trittfrequenz ging es dann weiter auf die letzten 40 Tageskilometer in westlicher Richtung, meistens längs der kurvenreichen Schelde, sodass das Etappenziel Gent schon am späten Nachmittag erreicht war. Es bleib daher ausreichend Zeit, um die herrliche historische Altstadt Gents mit ihren vielen Sehenswürdigkeiten entlang der pittoresken Kanäle und Flüsse zu erkunden, und um sich in entspanntem Ambiente ihrem reichhaltigen gastronomischen Angebot zu widmen. Beschwingt von der Abendsonne und zufrieden mit dem Tagespensum auf dem Sattel gönnten sich die Pleeser Radsportfreunde schließlich das ein oder andere Brauereierzeugnis, wobei Belgien mit seinen über 1.600 Biersorten für diese Art der Freizeitbeschäftigung bekanntlich ein wahres Eldorado ist. Abgerundet wurde der Tag in der rustikalen Bar ‘t Dreupelkot, wo man sich nach dem ein oder anderen Oude Genever den existentiellen Fragen des Lebens annahm und final darüber sinnierte, wie der Tag wohl verlaufen wäre, wenn das morgendliche Rührei doch auf dem Teller und nicht auf den nackten Fliesen eines schmucklosen Frühstücksraumes gelandet wäre.